Organisationsabteilung, Personalentwicklung, Qualitätsmanagement, Risikomanagement, Change Management, Prozessmanagement, Projektmanagement, IT- und Digitalisierungsabteilung, Baumanagement: es tut sich ein wahrer Managementdschungel auf. Dieses Managementabteilungsmultikulti schluckt mehr Energie zwecks Abgrenzung und Abstimmung, als dass es echte Wirkung in die Organisation hinein entfacht. Es ist an der Zeit, diese Strukturen zu überdenken, zu konsolidieren und neu auszurichten.
Hallo und herzlich Willkommen zur 20. Episode von „das ist Lean Hospital“. Mein Name ist Jörg Gottschalk.
In dieser Ausgabe werde ich über die Gründe sprechen, warum ich in meiner kleinen Strategierede der Episode 19 die Zusammenlegung der Bereiche Organisation, Personalentwicklung, Qualitätsmanagement, Risikomanagement, Change Management, Prozessmanagement und Teile der IT-Organisation entschieden habe. Das ist selbst für meine Verhältnisse ein recht radikaler Gedanke.
In den vergangenen Jahren erlebe ich bei vielen Krankenhausführungen die Tendenz, alles gleichzeitig anzugehen. Ich habe schon Sanierungshäuser erlebt, in denen der 2-Jahres-Sanierungsplan mehr als 120 Projekte und Einzelaktivitäten enthalten hat. So etwas geht in der Regel nicht gut. Wer alles gleichzeitig will, der bekommt meist wenig. Sie kennen das.
Eine ähnliche Entwicklung erleben wir bei Abteilungen und ihren Aufgaben. Dann entstehen eben über die Jahre fünf oder sechs neue Managementbereiche, ohne dass jemals die Ziel- und Wirkungsfrage gestellt oder überhaupt eine Evaluation erfolgen würde.
Fokussierung auf Lean Management, das war ja die zentrale Botschaft meiner Führungsrede, heißt, dem Unterfangen eine klare Priorität einzuräumen. Es bedeutet, knappe Ressourcen und knappe Gelder, soweit es eben geht, in genau diesen Wirkungs-Kanal zu lenken. Ein klarer Schwerpunkt. Raus aus dem „Alles“.
Was natürlich im Umkehrschluss zur Folge haben kann und wird, dass weniger relevante Themen hintenangestellt werden und alles, was seine Wirkung auf das Thema Lean bzw. Prozess nicht nachweisen kann, neu ausgerichtet, reduziert, hintenangestellt oder gar eingestellt wird.
Sich gegen etwas zu entscheiden, das bereits existiert oder dass alle anderen auch machen, ist vielleicht die anstrengendste Führungsaufgabe überhaupt. Doch es liegt in der Natur der Sache, dass wir nicht immer neue Dinge erfinden können, ohne etwas Altes zu hinterfragen und uns von etwas zu verabschieden.
So schmerzhaft Fokussierung sein kann, so notwendig ist sie. Ich halte es für eine echte Führungsschwäche, sich nicht fokussieren zu können und sich nicht von Dingen zu verabschieden.
Meine formulierte Strategie war ziemlich klar: Ich will raus aus dem organisatorischen Chaos! Dem muss sich nun vieles unterordnen, wenn alles gleichzeitig nicht funktioniert.
Die Zusammenlegung der Abteilungen von PE bis Change steht in genau diesem Kontext.
Um was geht es? Nun, es geht darum, knappe Mittel, knappes Personal und knappe Zeit so einzusetzen, dass wir die höchstmögliche Wirkung erzielen. Auch Verwaltungspersonal fällt nicht vom Himmel. Das Geld zu deren Finanzierung schon einmal gar nicht. Jede Stelle in der Administration entziehen wir letztlich unseren Kernbereichen, den patientennahen Bereichen.
Meine Auffassung ist, dass wir deshalb gut daran tun, an dieser Stelle mehr als einmal nachzudenken. Auch oder gerade Verwaltung sollte strengen Wirksamkeitsanforderungen unterliegen.
In meiner hypothetischen Rede entscheide ich mich klar und eindeutig für eine radikale Reform unserer Strukturen und Prozesse, weil ich davon überzeugt bin, dass die Fokussierung auf ein höchstes Ziel zum Erfolg führt.
Ich entscheide mich für Lean und ich entscheide mich für Teamboarding als agiles Verbesserungssystem. Ich entscheide mich für ein zukunftsfähiges Führungssystem.
Ich entscheide mich deshalb für diese Methoden, weil ich weiß oder zumindest ahne, dass wir nur so wirtschaftlich überleben werden, nur so wieder attraktiv für Mitarbeitende sind und – nicht weniger relevant – andere strategische Entscheidungen am Ende von der Qualität und Effizienz unserer Prozesse abhängen.
Eine Lean-Strategie strahlt eben auch ab.
Diese Fokussierung gilt nun auch für alle administrativen, also vermeintlich unterstützenden Bereiche.
Das interessante ist ja doch, dass jede neue Managementabteilung ihre Zeit und ihre Ursachen hat bzw. hatte.
Qualitätsmanagement hat sich im Krankenhaus entwickelt, weil wir nach Einbruch des DRG-Zeitalters nicht mehr nur über Geld sprechen wollten. Außerdem begann Mitter der 2000er Jahre die Zertifizierungswelle. Irgendwer musste sich um diese recht administrativen Tätigkeiten kümmern.
Später begann der Rechtsformwandel von Krankenhäusern zu GmbHn und das Zeitalter der Kreditverschuldung, also drangen vor allem der Gesetzgeber und die Banken auf ein institutionalisiertes Risikomanagement. Wie in anderen Branchen auch. Copy and Paste.
Als später unsere Prozesse doch einmal in den Fokus rückten, entstanden Abteilungen für Prozessmanagement oder und Projektmanagement.
Das alles war nicht gut genug, also sollte sich alles schneller verändern. Kultur – was auch immer das genau ist – sollte sich verändern. So begann die Wiederauferstehung des Change Managements.
IT war immer schon IT, Digitalisierung wurde naturgesetzlich als ihr integrativer Bestandteil verstanden.
Personalentwicklung gab es gefühlt immer schon, allerdings streng eingebettet in die Personalabteilung. Die steht oft unter juristischer Leitung, denn Personalrecht und Gehaltsabrechnung dominieren bis heute das Geschäft. Personalentwicklung dreht sich zwar auch um Personal, aber eben um völlig andere Ziele und Inhalte. Die notwendigen Charaktere unterscheiden sich bisweilen diametral.
Richtige Organisationsabteilungen erlebe ich im Übrigen recht selten. Irgendwie schade. Wahrscheinlich fehlte dafür dann am Ende doch das Geld.
So existiert heute alles fröhlich nebeneinanderher, meist in inniger Konkurrenz verbunden. In vielen Abstimmungsrunden und Meetings wird mühsam zusammengehalten, was eigentlich und ohnehin zusammengehört. Interessant wird es im Übrigen, wenn die Bereiche hierarchisch sogar unterschiedlich aufgehängt sind. Dann setzt sich Konkurrenz und Abstimmungsbedarf bis in die oberste Spitze fort.
Der Roman beschreibt die Entwicklung eines ganz normalen Krankenhauses auf dem Land, das sich in kürzester Zeit aus dem engen Regiment eines börsennotierten Krankenhauskonzerns befreit und sich zu einem selbständigen, wirklich patienten-, versorgungs- und mitarbeitergetriebenen Krankenhaus entwickelt. Dieses Krankenhaus will anders sein als die anderen. Besser für seine Patienten und für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und wirtschaftlicher. Es hat eine klare Idee von seiner Zukunft.
Der Hauptprotagonist des Romans, Felix Bender, ist Geschäftsführer eben dieses Melbecker Krankenhauses, als der Start-up-Milliardär Björn Meiersiek das Krankenhaus übernimmt. Dessen Ziel ist klar: den Grundstein für einen Krankenhauskonzern legen, der das Patientenwohl wieder in den Mittelpunkt stellt. Gemeinsam mit der Ärztin Luise Pickart macht er sich daran, das Unternehmen von Grund auf umzukrempeln. Felix Bender, in den traditionellen Sphären der Konzernkrankenhauswelt großgeworden, taucht, quasi über Nacht, ein in eine völlig neue Welt, in der die alten Regeln der Krankenhausführung auf einmal nicht mehr zu gelten scheinen. Er durchlebt im Eiltempo seinen ganz persönlichen Entwicklungsprozess, während er gemeinsam mit Luise Pickart und dem jungen Lean Manager Steffen Ganz seine Organisation konsequent neu erfindet.
Schaut man allerdings genauer hin, erkennt man schnell, dass sich alle um das gleiche Objekt der Begierde kümmern. Sie kümmern sich nämlich um unsere Behandlungs- und Unterstützungsprozesse. Dort entscheidet sich bekanntlich die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens. Dort entstehen unsere Risiken. Dort muss sich vieles verändern. Dort soll digitalisiert werden. Dort arbeiten die Mitarbeitenden, die personalentwickelt werden sollen.
Kurz und gut: es geht immer um die gleichen Personen. Und es dreht sich um die gleichen Prozesse.
Logisch und konsequent wäre es nun, die Frage zu stellen, was diese Mitarbeitenden in diesen Prozessen tatsächlich benötigen, um ihre Organisation und ihre Abläufe kontinuierlich zu verbessern. Das wollen wir ja. Wir wollen, dass sie wirtschaftlicher, risikofreier, sicherer, digitaler, patienten- und mitarbeiterfreundlicher werden.
Vielleicht sind Sie mit mir einer Meinung, dass es vor diesem Hintergrund wenig Sinn ergibt, dass sich gleich mehrere Abteilungen um die gleichen Personen und die gleichen Sachverhalte kümmern.
Es sollte zusammen organisiert werden, was zusammengehört. Ich wüsste nicht, was dagegenspricht.
Nicht einmal das Argument der Spezialisierung greift. Wir kennen das: viele Spezialistenabteilungen sind besser als eine „Allgemeine“.
Wir glauben viel zu oft, dass Spezialisierung nur Vorteile mit sich bringt. Deshalb gründen wir ja so viele Bereiche – und erfinden sogar immer neue Berufsgruppen. Im Gesamtkontext trifft leider eher das Gegenteil zu.
Der Hauptgrund: Abteilungen grenzen sich naturgesetzlich voneinander ab. Jede Abteilung begreift sich als eigene Gruppe, unter eigener Leitung. Mit einer eigenen Identität. Alle ringen um knappe Mittel, um die Gunst von oben. Alle wollen punkten.
Systemisch betrachtet besteht das initialisierende Merkmal einer Gruppe bekanntlich darin, dass sie sich von anderen Gruppen unterscheidet. Wenn keine Unterscheidbarkeit besteht, ist sie keine Gruppe.
Aus diesem Grunde arbeiten alle Gruppen der Welt so vehement daran, ihr Eigenleben zu kreieren, sich abzugrenzen, sich abzusichern, eigene Stempel zu erfinden und methodische Unterschiede zu entwickeln. In großen Organisationen nimmt diese Abgrenzung und die Diskussion darüber meist bedenkliche Ausmaße an. Oder das Gegenteil: alle werkeln fröhlich und nebeneinanderher.
Am Ende sind diese Gruppen mehr damit beschäftigt, sich abzugrenzen, als Wirkung zu erzielen. Ihre Kunden sind genervt, weil jede Gruppe neue Methoden und neue Arbeit erfindet.
Genau aus diesem Grunde halte ich es für unabdingbar, von Zeit zu Zeit das Feld gedanklich auf null zu setzen. Was brauchen wir wirklich? Was brauchen die Mitarbeitenden? Was sind die Aufgaben? Welche Kompetenzen benötigen wir bzw. die Mitarbeitenden und ihre Führungskräfte?
Am Ende dieser grundsätzlichen Überlegungen, so meine Schlussfolgerung in meiner hypothetischen Rede, verfügt die neue Abteilung Lean Management über ein einheitliches Konzept, eine einheitliche Methode bzw. Vorgehensweise und gemeinsame Kompetenzen.
Alle Mitarbeitenden unserer Managementabteilungen und all ihre Qualifikationen werden weiterhin dringend gebraucht und gesucht.
Wir tun nichts anderes, als dass wir die künstlichen Gruppengrenzen auflösen, neu ausrichten und dann methodisch zielgerichtet kooperieren.
All das schafft man in der Regel nicht in fünf oder sechs Abteilungen, sondern eher in einer.
Deshalb habe ich in meine hypothetische Rede genau diese Konzentration auf das Sinnvolle und die Neuordnung derart überlebter und hypertropher Strukturen eingebaut.
Wenn wir etwas Neues wirklich richtig wollen, müssen wir uns manchmal von dem Alten lösen können, wenn es heute nicht mehr hilft oder unnötige Reibung auslöst.
Ich hoffe nun nicht, dass die Mitarbeitenden all dieser Bereiche kollektiv über mich herfallen. Es wäre aber wirklich falsch und veränderungsunfreundlich, solche Gedanken nicht mindestens zu bewegen – worauf sie auch immer hinauslaufen.
In diesem Sinne und das Beste hoffend komme ich zum Ende. Es ist erst einmal alles zu diesem Thema gesagt. Von mir.
In der nächsten Episode werde ich mir speziell die Personalentwicklung vornehmen. Die wird nämlich in Zukunft eine weit zentralere Rolle spielen als bislang üblich.
Sie wird zu einem der Schlüsselfaktoren für den Erfolg oder Misserfolg unserer Krankenhäuser avancieren. Damit sie diese Rolle spielen kann, müsste sich allerdings einiges verändern.
Ich wünsche Ihnen eine gesunde und erfolgreiche Woche. Empfehlen Sie diesen Podcast gerne weiter. Schreiben Sie wie immer rege Kommentare.
Bis zum nächsten Mal also.
Ihr
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