Episode 19 – eine neue Führungsstrategie

oder alles für den Prozess

Das ist leider gerade weg!

In jeder anderen produzierenden Branche gilt: Prozesse First. Nur eben im Krankenhaus nicht. Doch die Zeiten ändern sich rasant. Qualität, Wirtschaftlichkeit und vor allem der Wettbewerb um die besten Köpfe werden sich in Zukunft daran entscheiden, wie wir Führung und Organisation, und damit unsere Behandlungsprozesse gestalten. Gesucht wird deshalb eine neue Führungs-, Organisations- und Verbesserungsstrategie. In dieser Episode möchte ich Ihnen dazu einen Vorschlag anbieten, verpackt in eine hypothetische Strategierede eines hypothetischen Vorstands vor seinen obersten Führungskräften.

Hallo und herzlich Willkommen zur 19. Episode in der Reihe „das ist Lean Hospital“. Frisch gestärkt, aus meiner Sommerpause zurück und voller Tatendrang, möchte ich in diesem Podcast eine Strategierede halten. Eine hypothetische Rede eines hypothetischen Vorstandes vor seinen obersten Führungskräften: Abteilungsleiter_Innen, Chefärzt_Innen, Pflegeleitungen, und Gästen aus dem Aufsichtsrat. Eine Rede, die einen echten Strategiewechsel einleiten soll.

Bitte seien Sie nicht überrascht: Dieser Podcast wird nach der Rede abrupt enden. Selbstverständlich bin sehr gespannt auf ihre Reaktionen. Schreiben Sie mir gerne oder einen Kommentar. 

Ich verabschiede mich schon jetzt von Ihnen. Bleiben Sie mir trotz dieser Rede gewogen und bis zum nächsten Mal. Dann geht es in die Details dieser Rede.

Doch nun genug der Vorrede, jetzt geht es los.

Episode 19 – eine neue Führungs- und Verbesserungsstrategie
Episode 19 bei Spotify: eine neue Führungs- und Verbesserungsstrategie
Vortrag auf dem „lean around the clock 2019“

Die Rede

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte nun zu dem zentralen Bestandteil unserer Strategie 2030 kommen. Dieser Teil, da bin ich mir sicher, wird unser Unternehmen in der Zukunft massiv verändern: zum Besseren möchte ich anmerken. 

Sie kennen die Inhalte, denn in den vergangenen Wochen haben wir alle in ganz unterschiedlichen Settings über das Thema Lean Management, Teamboarding und Verbesserungsstrategien diskutiert. Ich möchte Ihnen nun das Ergebnis dieser Diskussion und die Entscheidungen der Krankenleitung vorstellen.

Wir wissen alle, dass unsere Mitarbeitenden an ihre Grenzen stoßen. An die Grenzen ihrer Belastbarkeit und ihrer Möglichkeiten. Alle rufen nach mehr Personal und wir wissen, dass wir mehr Personal auf absehbare Zeit weder finanzieren können noch finden werden. 

Wir bewegen uns eindeutig an einer virtuellen Grenze, an der unsere Qualität zu leiden beginnt und unseren Patientinnen und Patienten kaum mehr das Versorgungsniveau zuteilwird, das Ihnen zusteht und das wir alle ihnen eigentlich bieten wollen. 

Wir stellen fest, dass unsere Mitarbeitenden unter den chaotischen Arbeitsbedingungen massiv leiden. Unsere Ausfall- und Kündigungsquoten steigen rasant an, die Bewerberquote dagegen befindet sich seit Monaten auf historisch niedrigem Niveau.

Aus unseren gemeinsamen Gesprächen in den letzten Wochen geht eindeutig hervor – da besteht meine ich breiter Konsens – dass die Art und Weise, wie wir seit Jahren unsere Behandlungs- und Unterstützungsprozesse gestalten, nur noch als chaotisch zu bezeichnen sind. Wir arbeiten unstrukturiert, intransparent, wenig standardisiert. Kaum eine Tätigkeit kann störungsfrei ausgeführt werden. Ich gehe derzeit davon aus, dass 20 – 30 Prozent unserer Arbeitszeit mit Tätigkeiten belegt sind, die auf dieses organisatorische Chaos zurückzuführen sind. Nicht auf unsere Patienten.

Nicht der Personalmangel führt zu diesem Chaos. Das Chaos produziert Personalmangel. Einmal, weil die Organisation unsere Mitarbeitenden zu massiver Verschwendung förmlich zwingt und ihnen so die Zeit für unsere Patienten raubt. Und: Unsere Mitarbeitenden leiden unter diesem Chaos – mit den bekannten Wirkungen.

Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir an dieser Stelle nun gemeinsam und radikal umsteuern müssen. 

Deshalb hat die Krankenhausleitung beschlossen, dass wir uns in den nächsten Jahren mit allem, was wir aufbieten können, darauf konzentrieren werden, unsere Behandlungs-, Unterstützungs- und Administrationsprozesse radikal zu überdenken und dem Chaos und der Verschwendung den Kampf anzusagen.

Wir werden alles daransetzen, um transparente, strukturierte, verlässliche, störungsfreie und damit ruhige Abläufe zu schaffen.

Nur auf diese Weise werden wir auf Dauer unsere Mitarbeitenden im Unternehmen halten und neue gewinnen. Nur so werden wir unsere Qualität auf Dauer sicherstellen und verbessern. Nur so werden wir unsere wirtschaftlichen Ergebnisse stabilisieren.

Ich weiß aus all unseren Gesprächen, dass Sie genau deshalb hier sind. Sie wollen Ihre Patientinnen und Patienten bestmöglich versorgen. Und – ich sag das mal so – Sie alle wollen wieder Spaß daran haben, hier zu arbeiten. Nicht nur Sie, sondern auch alle anderen. 

Das ist Lean Hospital
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Die Krankenhausleitung hat sich deshalb auf folgende Punkte verständigt:

Erstens: In Zukunft gilt als oberste Prämisse: Alle Bereiche in unserem Unternehmen leisten in Zukunft ihren Beitrag dafür, dass die Behandlungsbereiche jederzeit optimal arbeiten können. Das gilt für die Behandlungsbereiche. Das gilt für sämtliche internen und externen Unterstützungsbereiche bzw. Dienstleister. Und das gilt selbstverständlich auch für die Verwaltungsbereiche. Für Führung, für alle Mitarbeitenden. 

Wir alle werden zu Dienstleistern für unsere Behandlungsprozesse.

Zweitens: Wir werden flächendeckend Lean-Teamboarding als unternehmensweites Verbesserungssystem einführen. Das bedeutet, dass wir sämtliche Organisationsbereiche in die Lage versetzen, kontinuierlich an ihren eigenen Prozessen und Abläufen zu arbeiten. Wir setzen also auf ein konsequent dezentrales, teamorientiertes, berufsübergreifendes und unternehmensweit einheitliches Verbesserungssystem.

In diesem System bekommen Sie als Führungskräfte alle denkbaren Möglichkeiten, sich aktiv und vor Ort in die kontinuierliche Verbesserungsarbeit einzubringen, sie anzutreiben und zum Erfolg zu führen. 

Das System wird auch neue Anforderungen an uns stellen. Wir alle werden uns in unserer Art, wie wir Führung in Zukunft verstehen, ein gutes Stück umstellen müssen. Wir werden kooperativer werden müssen. 

Wir werden als Führungskräfte mehr in die operative Verbesserungsverantwortung gehen – und zwar vor Ort, bei unseren Mitarbeitenden. Also dort, wo die wahre Musik spielt. Dort können wir helfen, nirgendwo sonst. Und wir werden schneller werden müssen in unseren gemeinsamen Entscheidungen.

Das Schwerste wird vielleicht sein, dass wir viele unserer Überzeugungen, wie etwas zu tun ist oder was funktioniert oder nicht, über Bord werfen müssen. Auch wir müssen lernen, wieder neu zu denken. Wenn alles so bleibt, wie es ist, nur etwas anders, wird es nicht wirklich besser werden.
Das wird nicht leicht werden. Doch es wird unsere Organisation massiv voranbringen. Davon sind wir in der Krankenhausleitung absolut überzeugt.

Drittens: Um diesen Entwicklungsprozess auf Dauer und nachhaltig zu sichern und auszubauen, werden wir interne Lean-Coaches ausbilden, deren Aufgabe darin besteht, alle dezentralen Verbesserungseinheiten und auch uns als Führungskräfte methodisch zu begleiten. Interne Lean-Coaches werden einen zentralen Faktor in der organisatorischen Professionalisierung unserer Prozesse, unserer Mitarbeitenden und auch unserer Leitungs- und Führungskräfte darstellen. Uns, wie wir hier zusammensitzen, inbegriffen.

Dieses Bild ist leider aktuell nicht auffindbar.

Der Roman beschreibt die Entwicklung eines ganz normalen Krankenhauses auf dem Land, das sich in kürzester Zeit aus dem engen Regiment eines börsennotierten Krankenhauskonzerns befreit und sich zu einem selbständigen, wirklich patienten-, versorgungs- und mitarbeitergetriebenen Krankenhaus entwickelt. Dieses Krankenhaus will anders sein als die anderen. Besser für seine Patienten und für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und wirtschaftlicher. Es hat eine klare Idee von seiner Zukunft.

Der Hauptprotagonist des Romans, Felix Bender, ist Geschäftsführer eben dieses Melbecker Krankenhauses, als der Start-up-Milliardär Björn Meiersiek das Krankenhaus übernimmt. Dessen Ziel ist klar: den Grundstein für einen Krankenhauskonzern legen, der das Patientenwohl wieder in den Mittelpunkt stellt. Gemeinsam mit der Ärztin Luise Pickart macht er sich daran, das Unternehmen von Grund auf umzukrempeln. Felix Bender, in den traditionellen Sphären der Konzernkrankenhauswelt großgeworden, taucht, quasi über Nacht, ein in eine völlig neue Welt, in der die alten Regeln der Krankenhausführung auf einmal nicht mehr zu gelten scheinen. Er durchlebt im Eiltempo seinen ganz persönlichen Entwicklungsprozess, während er gemeinsam mit Luise Pickart und dem jungen Lean Manager Steffen Ganz seine Organisation konsequent neu erfindet.

Viertens: Wir werden unsere Kräfte bündeln und fokussieren. Die Bereiche Organisation, Personalentwicklung, Prozessmanagement, Changemanagement, Qualitätsmanagement und Risikomanagement werden zu einem Bereich zusammengeführt. Dieser neue Bereich wird schlicht „Lean Management“ heißen. Der Bereich wird mir direkt unterstehen. 

Ob wir noch Teile der IT – Stichwort Digitalisierung – in diese neue Abteilung integrieren, diskutieren wir aktuell. 

Aus einer Hand, mit einer klaren Zielrichtung und einem einheitlichen methodischen Konzept stehen uns dann genügend kompetente Mitarbeitende zur Verfügung, um unsere Organisation in ihrer Entwicklung wirksam zu begleiten. Die internen Lean Coaches werden wir primär aus dieser neuen Abteilung rekrutieren.

Fünftens: Die Personalentwicklung und unsere Akademie, die ja bekanntlich bei uns bisher eher stiefmütterlich behandelt wurden, werden in Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Wir werden ein unternehmensweites, strukturiertes und sehr zielorientiertes Lean-Trainingsprogramm entwickeln und installieren. Analog, aber vor allem digital. Differenziert nach Zielgruppen, Aufgaben und Einsatzort werden wir die methodische Führungs- und Organisationskompetenz unserer Mitarbeitenden konsequent ausbauen. In der Breite und in der Tiefe. 

Wir können von uns und unseren Mitarbeitenden nur dann wirksame Führungs- und Organisationsentwicklung erwarten, wenn sie über die notwendigen Kompetenzen verfügen. In der Krankenhausleitung sind wir uns absolut einig darüber, dass wir ab jetzt massiv in die Führungs- und Organisationskompetenz unserer Mitarbeitenden investieren müssen. Nicht mit der Gießkanne, sondern klar orientiert an dem Bedarf, der sich aus unserer neuen Strategie entwickelt.

In diesem Kontext werden wir natürlich auch unser Führungskräfteentwicklungsprogramm neu auflegen und auf die neuen Führungs- und Organisationsanforderungen ausrichten. Für viele Führungsjobs werden wir das neue Programm zu einer Voraussetzung für die Besetzung einer Führungs- oder Leitungsposition erklären.

Sechstens: Ich habe gestern angewiesen, unsere Neubauaktivitäten vorerst zu stoppen, soweit das kurzfristig möglich war. Wir werden erst dann weiter bauen, wenn wir mehr darüber wissen, wie unsere Prozesse und Strukturen künftig aussehen sollen. Ich möchte vermeiden, viele Millionen in alte Konzepte zu investieren. Wenn wir schon viel Geld ausgeben, dann sollten wir auch die maximale Wirkung erzielen.



Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir abschließend ein paar Worte zur Digitalisierung. Sie geistert ja in allen Köpfen herum und ich weiß, dass Sie sich alle viel von ihr und den Millionen erhoffen, die uns der Staat auf dem goldenen Teller serviert. Ich bin da nicht anderer Meinung. 

Ich glaube aber, dass wir ganz anders herangehen müssen. Digitalisierung ist nicht das Ziel. Sie ist Mittel zum Zweck. Sie soll dazu beitragen, dass sich unsere Prozesse verbessern. Wir werden also Prozessentwicklung und Digitalisierung konsequent zusammendenken und zusammenorganisieren. Aus diesem Grund denken wir darüber nach, wie wir relevante Teile unserer Digitalisierungsressourcen in das neue Lean Management bzw. in den Verbesserungsprozess integrieren können. Sobald wir uns entschieden haben, werde ich es Ihnen mitteilen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so wird unsere künftige Führungs- und Organisationsstrategie aussehen. Unsere Führungs-, Organisations- und Verbesserungsstrategie 2030.

Wir machen jetzt Nägel mit Köpfen, und damit beginnen wir genau morgen: Wir werden auf moderne und wirksame Art und Weise das Herz unseres Krankenhauses in Angriff zu nehmen: unsere Behandlungsprozesse. Wir möchten nicht mit ansehen, wie alles schlechter wird. Wir wollen es anders machen, und besser.  

Als Krankenhaus haben wir jetzt die einmalige Chance und die wichtige Aufgabe, nicht nur unsere Standort- und Leistungsstrategie an die neuen versorgungspolitischen Bedingungen anzupassen, sondern uns vor allem anderen bedingungslos auf unsere Kernkompetenz zu fokussieren: die Patientenversorgung.

Wir werden konsequent und kontinuierlich daran arbeiten, unsere Qualität zu verbessern. Wir werden strukturierte und verlässliche Prozesse entwickeln und damit nicht nur unsere Patienten und Patientinnen überraschen, sondern uns auch im Wettbewerb um die besten Köpfe die beste Ausgangsposition sichern. 

Wer als erster das organisatorische Chaos hinter sich lässt, der wird seinen Platz in der Patientenversorgung der Region nicht nur bewahren, sondern ausbauen. Ich möchte ergänzen: vielleicht nur der!

Ich möchte Sie alle einladen und auffordern, sich aktiv an diesem Vorhaben zu beteiligen. Mehr noch: Als Führungskräfte sollten Sie sich an die Spitze setzen. Als Führungskräfte übernehmen Sie die Mit-Verantwortung dafür, dass wir alle gemeinsam bei diesem Vorhaben vorankommen. Wir zusammen bestimmen über den Erfolg der nächsten Jahre.

Vielen Dank.

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